
Knapp 300 Siege hat die Pferdewirtschaftsmeisterin Heike Rigbers in den Disziplinen Militäry, Dessur und Springen errungen. Die Wildeshausenerin war unter anderem Niedersachsen- und Westfalen-Meisterin, bevor sie 2008 die Riding Academy Mallorca bei Palma gründete und jetzt zusammen mit zwei Trainerinnen auf sechs Pferden und zwei Ponys Prominente und weniger Prominente im Reitsport schult. Im Management wird sie unterstützt von ihrem Ehemann.
EL AVISO: Sie wollten mit 18 Jahren schon im Süden leben, was waren die Gründe für die frühe Entscheidung?
Heike Rigbers: Ich komme ja aus dem Norden Deutschlands und es war immer schon ein Kindheitstraum, am Meer zu leben und dort alt zu werden. Das hat mich wie ein roter Faden ein Leben lang begleitet. Und dann hat mich ein Freund angerufen, der Zahnarzt hier auf der Insel ist, und hat gesagt: Der Veranstalter der Show in Son Amar will einen Stall eröffnen und da bist Du genau die Richtige dafür. Ich dachte mir: Wenn ich jetzt nicht in die Puschen komme, macht es ein anderer. Dann bin ich hierher geflogen und habe gleich zugesagt. Zur Auswahl stand noch Singapur und Thailand, aber Mallorca war aus einem Bauchgefühl heraus die richtige Wahl. Und meine Freunde haben gesagt, hast Du denn einen Vertrag, und ich habe gesagt, alles abgesichert, tolles Gehalt, und ich hatte noch gar nichts.

EA: Aber im ersten Schritt ging das nicht gut…?
HR: Nein, ich habe zunächst bei der Show in Son Amar mitgemacht und dann hieß es, das Projekt Pferdestall sei wegen der Wirtschaftskrise abgesagt. Ich hatte meine Pferde mitgebracht und mit denen stand ich nun da. Zudem starb mein damaliger Ehemann zur gleichen Zeit. Ein Pferd stürzte und hatte einen siebenfachen Beckenbruch. Es kam so ungefähr alles zusammen, was schlecht laufen konnte. Trotz der ganzen Schicksalsschläge habe ich gesagt, mich bekommt hier nichts und niemand weg und ich bleibe. Nach jetzt zwölf Jahren kann ich wieder jede Minute hier auf der Insel genießen und bin vollkommen glücklich.
EA: Wie sind Sie zum Reitsport gekommen und gehörte beides bereits zusammen – der Süden und die Pferde?

HR: Ich habe ganz früh angefangen mit dem Reiten, im Alter von drei Jahren, und in Folge verschiedene Turniere gewonnen. Da hatte ich natürlich den Süden noch nicht im Kopf. Was den professionellen Start anging, ich hatte eine Banklehre gemacht und bin vom Deutschen Olympia-Komitee für Reiterei angefragt worden, ob ich eine weitere Ausbildung machen wollte. Der Ausbildungsberuf Pferdewirt war damals ganz neu, ich war eine der ersten Azubis, habe dann meine Meisterprüfung Pferdewirtschaftsmeister noch drangehängt, und war anschließend zwölf Jahre beim Olympia-Komitee. Unter den besten Trainern der Welt – Hans-Günther Winkler, Willi Schultheis – bin ich sozusagen groß geworden. Dann kam das Angebot von Springreiter und Olympiasieger Dirk Hafemeister, der einen großen Stall in Berlin hatte, Jungpferde auszubilden.
EA: War das zumindest vorübergehend auch ein Abschied von der weiteren Karriere als Reiterin?
HR: Ich bin bis dahin Vielseitigkeit geritten und hatte in anderthalb Jahren zwei Freunde verloren, die tödlich verunglückt waren. Das brachte Hemmschwellen mit sich: Wenn man zögerlich wird und anfängt, im Gelände zu überlegen, dann ist das nicht mehr “gesund”. Ich habe gesagt, Du kannst ja alles – Springen, Dressur und Gelände – habe von Dirk Hafemeister das Angebot angenommen und bin als Reitlehrerin nach Berlin gezogen, zusätzlich bin ich noch international Dressur und Springen geritten. Es hieß immer, die Vielseitigkeits-Reiter haben nur Mut, richtig können sie aber alles nicht und ich habe gesagt: Euch beweise ich das mal. Damit war ich sehr erfolgreich. Polo kam auch noch als Hobby hinzu.
EA: Niedersachsen-Meisterin, im gleichen Jahr Westfalen-Meisterin, im Kader der Europameisterschaften und so weiter – welche Bedeutung hat für Sie Erfolg?

HR: Eine große Bedeutung. Ich war ja schon als Kind erfolgreich. Da war ich so ein kleiner Kinderstar im Pferdesport. Wichtig dabei: Die Reiterei bringt einen zur Besinnung, bringt Ruhe rein. Ich war ein ziemlich nervöses Kind, die Pferde haben mich aber geerdet und mich gut ins Gleichgewicht gebracht. Der Sport hat ja Höhen und Tiefen und holt Dich auch ganz schnell wieder runter, einmal bist Du die Größte, und dann auch wieder am Boden. Ich hatte viele Erfolge, aber auch Niederlagen, etwa wenn ein Pferd verletzt oder ich zu aufgeregt war und mich im Parcours verritten habe. Das sage ich auch immer Eltern, Pferdesport ist eine gute Erziehung, und hat was die heile Welt angeht, auch noch einen kleinen „Immenhof-Effekt“, die Kinder sind beschützt.
EA: Mit dem professionellen Reitsport weiterzumachen war keine Option?
HR: An der Spitze meines Erfolges gab es keine Aussicht auf neue gute Pferde. Ich hatte nach dem Umzug auch auf Mallorca geritten und die große Dressurprüfung St. Georg gewonnen. Aber in Deutschland gab es keine Perspektive – auch in meinem Alter. Ich habe beschlossen, nur noch als Trainer zu arbeiten, meine Richter-Prüfung zu machen und den Reitsport von der anderen Seite zu sehen.
EA: Für außergewöhnliche Leistungen kommt es auf gute Pferde an. Welche Rolle spielt die Harmonie zwischen Pferd und Reiter?
HR: Ja, das ist richtig. Ich hatte ein wunderbares Pferd, dass man mir dann vom Olympia-Komitee wegnahm, um es einem erfolgreichen Olympioniken zu geben, weil ich noch keine Championats-Erfahrung auf dieser Ebene hatte. Er hatte überhaupt keinen Draht zu dem Pferd und hat es solange trainiert, bis es einen Sehnenschaden hatte und nicht mehr einsetzbar war. Das hat mir damals mein Herz zerrissen. Ich war immerhin mit diesem Pferd beste Deutsche in den Vielseitigkeits-Prüfungen geworden. Die zwischen dem Pferd und mir bestehende Harmonie hat niemand mehr erreicht.

EA: Von Tierschützern wird gesagt, Pferdesport sei Tierquälerei. Wie sehen Sie das?
HR: Wenn das Tierquälerei wäre, dann würde kein Pferd über 20 cm hinaus springen, denn wenn es nicht will, dann will es nicht. Ein Vielseitigkeits-Pferd, das beispielsweise nach unten zwei Meter ins Wasser springt, hat volles Vertrauen. Selbst die jungen Pferde, noch gar nicht trainiert, laufen alleine über Hindernisse. Leute, die behaupten, das sei Tierquälerei, haben noch nie miterlebt, wie viel Spaß Pferde am Springen haben.
EA: Jungpferde auszubilden ist ein wesentlicher Teil Ihrer Arbeit. Daneben gibt es ein breites Programm für Turnier- und Freizeitreiter. Welche Schwerpunkte haben Sie?
HR: Kinder, der Nachwuchs ist ein wesentlicher Schwerpunkt. Die meisten Reitlehrer scheuen sich und trainieren lieber Kinder und Pferde, die schon alles können. Die Basics, die ich vermittle, sind schon anstrengend, aber es macht mir Spaß, wenn man die Erfolge sieht, besonders in den Feriencamps. Das sind dann täglich am Stück fünf Stunden und es dreht sich alles ums Pferd, und in drei Monaten Sommerferien wird richtig gut gelernt.
EA: Das therapeutische Reiten mit behinderten und verhaltensgestörten Kindern ist Ihnen ein besonderes Anliegen. Es gibt andere z.B. Delfin-Therapien, was ist das Spezielle, zu dem Pferde beitragen?
HR: Das Besondere beim therapeutischen Reiten – und das haben Delfine nicht – ist die Wärme des Pferdes. Die jungen Menschen werden direkt mit einer dünnen Decke auf den Rücken des Pferdes gesetzt und spüren den Rhythmus. Die Pferde werden geführt, gehen meistens nur Schritt und machen ein paar Übungen. Zum Beispiel kommen Spastiker völlig entspannt vom Pferd. Es sind 150 Muskelgruppen in der Minute, die aktiviert und bewegt werden. Egal was die Kinder haben, Pferdesport ist positiv. Ich hatte eine MS-Patientin, die dadurch deutlich weniger Schübe bekommen hat.
EA: Über die Kinder und Freizeitsportler hinaus gehörten zu Ihren Schülern Franka Potente, Ben Becker, Daniel Brühl, Nora Tschirner und Matthias Schweighöfer. Ausgebildet wird für TV-Rollen? Gibt es Gemeinsamkeiten?
HR: Ja, die sind alle gekommen, weil in ihrer Mappe stand, ich kann reiten, aber sie konnten es nicht wirklich. Ich musste mit ihnen einen Crash-Kurs machen, außer bei Nora Tschirner, die schon reiten konnte und die ich begleitet habe bei Stefan Raabs Prominentenreiten. Bei den anderen bedeutete es, ein Jahrespensum bis Drehbeginn in vier bis acht Wochen zu vermitteln. Wobei ich sagen muss, die Schauspieler sind nach meiner Erfahrung in Hinblick auf das Körpergefühl auch sehr talentiert. Mit Nora Tschirner und Daniel Brühl habe ich aus der Berliner Zeit auch noch einen netten Kontakt, Dieter Bohlen und Jochen Horst reiten bei mir hier regelmäßig.

EA: Auch Topmanager und der Hochadel sitzen bei Ihnen hoch zu Ross. Gibt es da Überraschungen, wollen die Tiere immer so, wie von Reiter/in gewünscht?
HR: Die werden von den Tieren umgehend eingenordet. Generell überwiegt der positive Effekt des Pferdesports bei den Topmanagern. In Berlin gab es einen hochrangigen Manager, der kam immer vor der Sitzung und sagte: “Es geht wieder um 200 Millionen Euro, lass uns ausreiten, ich brauche die Birne frei.” Nervosität und Anspannung funktioniert nicht, Pferde zwingen einen sofort, runter zu kommen, es ist egal ob der Reiter hier im Stall die Post austrägt oder 5.000 Angestellte hat.
EA: Wir leben in unruhigen Zeiten. Sie machen einen ausgeglichenen, zuversichtlichen Eindruck. Was sagen Sie zu Corona, den Maßnahmen und der Zukunft?
HR: Das macht mir schon ein bisschen Angst, gerade hier auch auf der Insel. Man sieht so viele Schicksalsschläge und auch junge Leute, die arbeiten wollen und es nun mit Corona nicht können. Die deutsche Reisewarnung kann ich nicht nachvollziehen. Alle waren diszipliniert und haben positiv nach vorne geschaut, alle Restaurants, alle Läden. Und dann kommt dieser Rückschlag. Das hat verheerende Auswirkungen. Ich hoffe nach der weiteren Entwicklung der Infektions-Zahlen, dass die Reisewarnung ganz schnell wieder aufgehoben wird.
EA: Was halten Sie von den Demonstrationen und Verschwörungstheorien?
HR: Gar nichts, dafür habe ich kein Verständnis.
EA: Sie haben mit der Reitschule einen neuen Standort. Was wird hier auf dem Gelände neu sein?
HR: Wir sind hier in einer Rosamunde Pilcher-Idylle und sind dabei, ein kleines Paradies zu schaffen. Anders als vorher, da standen über 100 Pferde von verschiedenen Besitzern im Reitstall. Hier im Stall S’Illa an der Calle de Son Frau bei Marratxí sind wir als Riding Academy Mallorca allein und ungestört mit unseren Pferden. Für die Schüler ist alles nochmal entspannter und romantischer.

Das Gespräch führte Frank Heinrich