Ein Leben für die Kunst

Bei der Anfahrt auf den Flughafen von Palma ist sie schon weithin sichtbar: die meterhohe und dennoch leicht wirkende, transparente Metall-Amphore. Auffallend auch der riesige Obelisk vor dem Eingang des Steigenberger Hotels in Camp de Mar, mit eingravierten Namen bedeutender Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Oder den Rugby-Spieler-Helm mi Parc de la Mar – Beispiele der vielen auf Mallorca zu findenden Kunstwerke von Yannick Vu und Ben Jakober.

Das Künstlerpaar

Ein außergewöhnliches, kreatives, polyglottes Paar: Künstler, Lebenskünstler, Kunstförderer und Visionäre. Yannick Vu (78) ist halb Vietnamesin, halb Französin, mit einem berühmten malenden Vater und einer Pianistin als Mutter, aufgewachsen in Frankreich. 1965 heiratete sie den bekannten italienischen Maler Domenico Gnoli und lebte mit ihm bis zu seinem Tod im Jahr 1970 in Paris und Rom. Ben Jakober (90) ist Sohn ungarischer Eltern, aufgewachsen in Österreich, Schweiz und England, studierte in Paris und arbeitete lange Jahre als erfolgreicher Banker der Rothschild-Gruppe, bevor er sich der Kunst widmete und nach Mallorca ging. Geheiratet haben die beiden im Jahr 1973 in Mexiko während einer langen Mittel- und Südamerika-Reise.

Sa Bassa Blanca

Im Norden der Insel, etwa vier, zum Teil holprige Pisten-Kilometer hinter Alcúdia (ab Alcúdia gut ausgeschildert), liegt ihr Reich: das leuchtend weiße Herrenhaus Sa Bassa Blanca, in dem sie von 1980-1994 lebten, welches die im Jahr 1983 gegründete Fundación Jakober (und das Museum) beherbergt, umgeben von einem riesigem Park. Erbaut von dem berühmten ägyptischen Architekten Hassan Fathy, wurde hier ein multikurelles Gesamtkunstwerk geschaffen, mit arabischen und spanischen Elementen. Gelebte Historie, denn schließlich waren die Araber lange Zeit auf der Insel und haben Mallorca, vor allem auch im Hinblick auf die Kultur, sehr geprägt. Und dies ist auch generell der Ansatz der beiden Künstler: multikulturelle Integration, Transparenz und Verbindungen von allen mit allen – Grenzen und Kulturen überschreitend. Geschichte visualisieren und nahebringen. Dies wird auch in kindgerechten, unterhaltenden Kursen vermittelt, die Kunst in Verbindung mit Natur und Geschichte dem Nachwuchs spielerisch nahebringen. “Wir wollen das Interesse an Kunst in ihnen wecken, denn Kunst bedeutet auch Freiheit. Und Kunst kann Fantasie und Kreativität anregen.” Themen wie Umweltschutz oder Klimawandel werden dabei ebenfalls angesprochen.

Kinderportraits und Tiere

Wohl am bekanntesten ist ihre legendäre und in dieser Art einzigartige Sammlung von über 170 Kinderportraits aus dem 16. bis 19. Jahrhundert. Den traurigen Anstoß dazu gab der Tod ihrer Tochter Maima mit gerade mal 18 Jahren. Bilder, teils von bekannten Malern, teils von unbekannten Künstlern, die in dieser Kombination auch den Wandel des Malstils pointiert belegen. Zumeist sind es Kinder aus höheren Gesellschaftsschichten oder gar Königshäusern, weil sich auch nur jene ein Portrait leisten konnten. Hinter jedem Bild steckt eine Geschichte, die es lohnt, aufzuspüren bzw. die man spürt, wenn man das Bild intensiv betrachtet. Und da nur wenig Kinderkleidung aus diesen Jahrhunderten erhalten ist, geben die Bilder darüber hinaus auch in puncto Mode interessante Einblicke. Ein Teil der Sammlung reist immer wieder durch die Welt.

Kinder sind es auch, die das Paar mit ihren im Sommer 2007 hinzugekommenen riesigen eindrucksvollen Tierskulpturen aus verschiedenfarbigem Granit bevorzugt ansprechen will. Die im Park aufgebauten Figuren wurden antiken Urbildern aus aller Welt nachempfunden. So stammt beispielsweise das Original des 17 Tonnen schweren und über drei Meter hohen Hundes aus der japanischen Haniwa-Kultur des 6./7. Jahrhunderts n. Chr., Elefant und Widder sind persisch, Nilpferd und Katze ägyptisch, Pferd und Kamel chinesisch, und dieTaube ist eine Originalskulptur des Paares. Die Skulpturen in diesem Park nehmen den Besucher mit auf eine Reise in die Welt der Mythen, Götter und Sagen der Antike.

Zeitgenössische Kunst und Swarowsky-Kristallvorhang

Und auch wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert, sollte sich auf den Weg nach Alcúdia machen. Ob Domenico Gnoli, dem die Jakobers einen eigenen Ausstellungsraum widmen, Rebecca Horn, James Turrell, Fabrizio Plessi, Miguel Barceló, Pablo Picasso, Meret Oppenheim, Gerhard Merz, Yoko Ono oder auch Vu Cao Dam, Yannicks Vater und bekanntester Maler Vietnams – sie alle sind hier ebenso vertreten wie marokkanische und afrikanische Künstler. Nicht zu vergessen die zahlreichen faszinierenden Objekte des Paares Vu/Jakober, wie z.B. das Buchrad „Ller con prisa“, die Obelisken, das eindrucksvolle Knochenbild „Ikarus“,die vielen Skulpturen von Ben Jakober im Park, oder die filigranen Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Yannick Vu. Hinzu kommt der unterirdische Kunstraum „SoKraTES“. Hier geht es um Raum und Zeit, eindrucksvoll symbolisiert durch die kobaltblaue Neonskulptur der Einsteinschen Formel. Davor ein überdimensionaler goldener Schnuller aus Holz und Metall, dessen drei Elemente – so Jakober – „die Verbindung des männlichen und weiblichen Prinzips versinnbildlichen, aus der neues Leben entsteht.“ Als weiterer Blick in die Zeit steht ein ca. 125.000 Jahre altes Fossil eines sibirischen Wollnashorns vor einem 4×7 m großen Kristallvorhang aus ca. 10.000 Swarowsky-Kristallen.

Megalithen, Camera Obscura und Rosen

Noch etwas vergessen? Natürlich, denn es gibt noch eine mehr als 7.000 Kunstbücher umfassende Bibliothek, eine Camera Obscura-Installation, einen Megalithen-Kreis, einen sagenhaften, vor allem im Frühjahr und Sommer hinreißend blühenden großen Rosengarten mit über 100 verschiedenen alten englischen Rosen-Sorten, den Yannick mit Hingabe pflegt – und es werden auch kindgerechte, unterhaltende Kurse veranstaltet, die Kunst in Verbindung mit Natur und Geschichte dem Nachwuchs spielerisch nahebringen. Sie sehen: ein Besuch bei den Jakobers, die mittlerweile halb auf Mallorca (in einem kleinen Bereich des Hauses), halb in Marokko leben, lohnt sich, das Museum ist ganzjährig geöffnet, und Sie sollten viel Zeit mitbringen…

Museum Sa Bassa Blanca

Fundación Yannick und Ben Jakober in Mal Pas, Alcúdia

inklusive Museums-Shop

Geöffnet: Mi-Sa 10-18 Uhr, So 10-15 Uhr (Galerien geschlossen 13-14 Uhr)

Eintritt: Nur Skulpturenpark und Rosengarten 5 €. Plus Nins Galerie, SoKraTES Space: Erwachsene 10 €. Kinder 7-18 Jahre 7 €. Jüngere Kinder frei.

Führung Hassan-Fathy-Haus (mit Voranmeldung). Eintritt: Erwachsene 25 €. Kinder 7-18 Jahre 10 €. Jüngere Kinder frei.

Voranmeldung unter Tel.: 971 546 915 oder visitas@msbb.org

Infos komplett: www.msbb.org

Martina Zender

Fotos: Martina Zender, Archiv Museo Sa Bassa Blanca

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