
Während unserem Herausgeber Frank Heinrich das Wort “Fremdschämen” in den Sinn kommt angesichts der ausschweifend und gedankenlos Feiernden am Ballermann (siehe Seite 2), ist es bei mir eher Wut, aber auch Angst. Wut nicht auf die Partypeople, die schon mit ihrer Dummheit genug gestraft sind – wobei: einige Bußgelder wären zudem sicher noch hilfreich – sondern meine Wut richtet sich eher gegen die Herren Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte, und Jens Spahn, seines Zeichens Bundesgesundheitsminister, die zwar nicht gedanken-, abstands- und maskenlos Alkohol konsumiert haben, sondern die drei haben gedankenlos Ungeheuerliches abgesondert. Montgomery meinte, alle MallorcaUrlauber gehörten bei ihrer Rückkehr 14 Tage in Quarantäne. Lauterbach warnte, diese Vorfälle könnten eine zweite Welle in Deutschland auslösen – Mallorca sei ein Risikogebiet. Und Spahn faselte etwas von “Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird“. Haben diese Herren eigentlich eine Ahnung, was sie der sowieso arg gebeutelten Insel damit antun? Wenn so etwas von der BILD oder RTL kommen würde, wüssten informierte Menschen das unter Boulevard-Journalismus einzuordnen, aber ein Ministerwort – auch wenn es nur Jens Spahn ist – hat Gewicht. Und auch, wenn der “Ballermann” oder sein englisches Pendant in Magaluf nur einen Bruchteil der Insel ausmachen: Menschen stornierten daraufhin geplante Reisen wie beispielsweise die niveauvollen seriösen Kunden von einer inselbekannten Privatköchin, die in der Absage ihrer September-Reise (mit Finca im entgegengesetzten Teil der Insel) und somit auch der Köchinnen-Buchung exakt die Spahn-Worte als Begründung angaben. Und dies ist nur ein Beispiel von einer Vielzahl, die mir in den letzten Tagen zu Ohren gekommen ist…
München Gartenplatz Hotspot Köln Frank Ulrich Montgomery

Gefährliche Partys gibt‘s überall Noch schlimmer ist es, dass man nur in anderen Ländern “kehrt”, nicht aber vor der eigenen Haustür, denn auch in Deutschland gibt es zig Beispiele von engan-eng-Parties ohne Abstand und ohne Maskenschutz. Ich war jüngst in München und bin abends an einem Werktag am dortigen Gärtnerplatz vorbeigekommen, der mitten in einem Kneipen- und Szeneviertel liegt. Hunderte, meist jüngere Leute trafen und treffen sich regelmäßig dort und in den angrenzenden Kneipen, sitzen eng an eng auf dem Rasen, trinken und feiern wie ehedem. Gleiches gilt für die Isarufer. Aber einen Satz wie “Wir müssen aufpassen, dass München nicht ein zweites Ischgl wird” hört man nicht… Die auf der Insel eingeführten hohen Bußgelder für illegale Partys (bis zu 600.000 Euro) schrecken hoffentlich ab, auch wenn offenbar ungehindert weiterhin Betreiber von einzelnen hiesigen Swinger-Hotels und Veranstalter von Swinger-Partys nicht nur öffentlich Reklame dafür machen dürfen, sondern diese auch ungestraft vonstatten gehen – teils mit Hunderten sexwilligen SwingerFans. Von Abstand kann hierbei ja wohl keine Rede sein! Warum schreitet die Polizei nicht ein? Fakt ist aber auch: Wir, also die Insel, sind nicht der Buhmann.Gewissenlose und leichtsinnige Idioten gibt es in allen Ländern, die schon glauben, dass Covid 19 Geschichte wäre. Doch aktuell an die 16 Millionen Infizierte und mehr als 640.000 Tote weltweit (Stand 24.07.) zeigen die traurige Realität.

Flirten und mehr
Die Swingerpartys sind ein Beispiel, aber jenseits vom swingen geht es doch auch um ganz normale Bedürfnisse. Was machen all die Singles und Jugendlichen eigentlich aktuell? Haben die ihre Libido auf Eis gelegt, sind sie “abstinent” geworden, sex-los?Kein Flirt mehr, keine Berührungen oder Küsse, keine beginnenden Beziehungen, keine One-NightStands? Sicher nicht! Doch darüber schreibt kaum jemand. Zumindest Eltern sollten ihren Nachwuchs verstärkt auf die potentiellen Gefahren aufmerksam machen. Auch das professionelle Sexgeschäft wird kaum thematisiert. Man erfährt nur, dass Webcams und Peepshows florieren, weil diese sicher sind. Aber glaubt einer, dass alle Prostituierten weltweit nicht arbeiten? Wahrscheinlich wird es irgendwann in einer Zeit nach Corona Untersuchungen über Ansteckungsherde und -gründe geben, die auch diesen Aspekt inkludieren, der aktuell tabuisiert wird. Und man wird erfahren, wieviele Singles sich beim Sex angesteckt und den Virus anschließend weitergegeben haben. Der Wunsch und auch das Recht auf Zärtlichkeit und Liebe bleiben, ebenso wie die Lust aufs Partymachen. “Verstöße” dagegen sind zutiefst menschlich. Aber ein wenig mehr Verantwortungsbewusstsein könnte man erwarten…
Martina Zender