
Die wirklichen Aufreger, die das Leben schwer machen, hängen oft mit dem Ärger zusammen, der einem als Konsument begegnet. Zu hohe Rechnungen, Knebelverträge mit Telefongesellschaften, zu kurze Garantiefristen oder die Kostenfallen bei Mietwagen. Aber mangelhafte Dienstleistungen und Produkte sind kein Naturgesetz, dem man sich beugen muss. Auf den Balearen haben Verbraucher gute Chancen, ihre Rechte durchzusetzen.
Fèlix Alonso Cantorné, Generaldirektor für Verbraucherschutz der Balearenregierung in Palma, ist stolz auf den Biss, den seine kleine Behörde hat.

„Wir haben ein Bußgeldverfahren gegen Ryanair eröff net, das die Fluggesellschaft dazu zwingen soll, Handgepäck nicht als Reisegepäck zu deklarieren und dafür zu kassieren.“
David gegen Goliath also. Auch große Stromkonzerne kommen nicht ungestraft davon, wenn sie mit irreführender Tarifwerbung den Kunden Sand in die Augen streuen. Gegen acht Anbieter, von Endesa bis Repsol, hat die balearische Direcció General de Consum eine Untersuchung eingeleitet. Die öff entliche Anprangerung von Firmen ist Teil der Strategie, denn fi nanzielle Sanktionen kratzen große Unternehmen meist nicht. „Da müssen wir weiter gehen“, sagt Fèlix Alonso Cantorné.
„Negative Publicity ist viel schmerzvoller für Unternehmen, die sich nicht an die Vorschriften halten.“
Die Leute sollen sich einbringen
Am Anfang jeder Maßnahme steht jedoch die Beschwerde. Ohne dass jemand mit dem Finger auf Missstände zeigt, kann die Verbraucherschutzbehörde nicht tätig werden. Im vergangenen Jahr gab es auf den Balearen 8.590 Reklamationen. Größter Beschwerdesektor ist die Telekommunikation, wo es speziell für Mobiltelefon-Besitzer um die Verweildauer in Verträgen und Unregelmäßigkeiten mit Rechnungen geht.
Gleich an zweiter Stelle der Negativliste rangiert der Automarkt, speziell in Bezug auf Versicherungen und Schäden bei Gebraucht- und Mietwagen. Cantorné bedauert, dass sich die Verbraucher nicht noch häufi ger einbringen. „Hier auf den Balearen haben die Leute nicht die Angewohnheit, sich zu beschweren. Sie gehen einfach nicht mehr hin, wenn ihnen etwas nicht passt. Dabei brauchen wir die Hinweise, um Schwachstellen aufzudecken.“
Für Reklamationen fi ndet sich auf der Website des Ministeriums für Gesundheit und Verbraucherschutz ein Formular, das online ausgefüllt werden kann. Per SMS wird man über den Fortgang seines Falles informiert.
Jede Beschwerde an die richtige Stelle
Allerdings ist die Verbraucherschutzbehörde nicht für jedes Problem zuständig. Um Fälle von Ekelfl eisch kümmert sich die Lebensmittelsicherheit, um Wucherpreise die Finanzaufsicht. Trotzdem können auch solche Reklamationen bei der Generaldirektion eingereicht werden. „Bei uns versickert nichts“, beteuert Señor Cantorné. „Wir leiten alles an die zuständigen Stellen weiter.“ Am einfachsten wird es Konsumenten in Betrieben des Tourismusgewerbes gemacht. In jedem Restaurant, in jedem Hotel gibt es fünfsprachige Beschwerdeformulare, die bis zu drei Monate nach Aufenthalt eingereicht werden können. Dafür muss man den entsprechenden Durchschlag nur in einer Tourismus-Information, bei der Post oder irgendeiner anderen offi ziellen Stelle abgeben. Einen Durchschlag behält man selbst, einen dritten drückt man dem Unternehmen in die Hand, über das man sich beschwert.
Einigung im Schiedsverfahren
Diese Art der Beschwerdeblätter wurde vom Amt für Verbraucherschutz schon vor zehn Jahren eingeführt.
Jedes Unternehmen muss solche Formulare zur Verfügung stellen. Cantorné erzählt von einem Fall, bei dem eine Autowerkstatt nur einen mündlichen Kostenvoranschlag gemacht hatte und die Schlussrechnung weit höher ausfi el. Als die Kundin das Beschwerdeformular verlangte, gab die Werkstatt es nicht heraus. Daraufhin rief sie die Polizei, das half. Auch hier erhielt die Werkstatt einen der Durchschläge, mit dem sie sich quasi selbst anzeigen musste.

„Wenn ein Unternehmen eine Beschwerde nicht an uns meldet, setzt es gleich die erste Strafe“,
sagt der Verbraucherschutz-Direktor. Oft reicht es anschließend schon, Post mit einer Ermahnung von der offiziellen Stelle zu bekommen, damit die Schwarzen Schafe einlenken und die Kundschaft zufrieden stellen. Eine Schiedsstelle, die beim Ministerium angesiedelt ist, versucht in Streitfällen zu vermitteln. Wenn sich die Parteien auf diese Weise nicht einig werden, fällt die Behörde eine Ent
scheidung. Zu einer Streitschlichtung im Schiedsverfahren sind 1.300 balearische Firmen bereit, die sich auf einer entsprechenden Liste eingetragen haben. Probleme bereiten spanische Unternehmen, deren Mutterfirmen ihren Sitz nicht auf den Balearen haben. Nach der gültigen Gesetzgebung müssen in diesem Fall siebzehn Sanktionsverfahren, eines für jede autonome Region, eröffnet werden. Womöglich wird sich diese Praxis mit dem neuen Verbraucherschutzministerium in Madrid ändern, wenn es die Befugnis erhält, selbst Sanktionen zu verhängen.

Kompetente Konsumenten Für Fèlix Alonso Cantorné greift Verbraucherschutz aber viel weiter, als geprellten Konsumenten im Nachhinein zu ihrem Recht zu verhelfen.
„Als Verwaltung müssen wir den Verbrauchern ja erst einmal die Werkzeuge in die Hand geben, damit sie souveräne Entscheidungen darüber treffen können, was sie konsumieren.“
Seine Inspektoren haben 2019 insgesamt 88.524 Produkte aus dem Verkehr gezogen oder vernichtet. Obwohl die offizielle Website der Verbraucherschutzbehörde und die meisten Formulare nur auf Spanisch und Katalan zu haben sind, ermuntert Fèlix Alonso Cantorné auch die deutsche Community ausdrücklich, sich mit Reklamationen an der Verbesserung der Verhältnisse zu beteiligen.
„Wir würden uns sehr freuen, wenn sich die Residenten mehr einbringen würden, denn sie sind ein großer Bestandteil unserer Gesellschaft. Einfach einen Termin ausmachen und vorbei kommen. Hier bei uns im Haus findet sich immer jemand, der Deutsch spricht, um das Formular gemeinsam auszufüllen.“
Direcció General de ConsumPalma, Carrer de Jesús 38 A www.caib.es/sites/consumidor/es/ portal_consumo-51705 (Seite auf Spanisch und Katalan)
Städtisches Amt für Verbraucherinformation (OMIC) in Palma Palma, Plaça de l‘Olivar 4 https://omic.palma.cat (Informationen auf der Seite auch in Deutsch)
Verbraucherschutzorganisation für Finanzfragen (Associació d’Usuaris Financers) Palma, Avda. Jaume III, 25, Entresuelo B www.asufin.com (Seite auf Spanisch und Katalan)
Verbraucherschutzorganisation FACUA kein Büro mehr auf den Balearen https://english.facua.org (Informationen in Englisch)
Christiane Sternberg, Fotos: Marcos Gittis, Direcció General de Consum