
Für die Schauspielerin Anjas Schüte ist Mallorca ein zweites Zuhause geworden. Mit ihrem Ehemann, einem norwegischen Reeder, pendelt sie mehrmals im Jahr zwischen Oslo, ihrer langjährigen Heimat Nordfriesland und Palma. Aufgewachsen in der Nähe von Köln stand sie schon mit 14 und 16 Jahren für zwei Filme des Briten David Hamilton vor der Kamera und spielte anschließend in vielen deutschen Fernsehfilmen und -serien mit (u.a. „Der Trotzkopf“, „Die Wicherts von nebenan“, „Forsthaus Falkenau“).

EL AVISO: Sie leben die längste Zeit im Jahr in Oslo…?
Anja Schüte: Das kann man so nicht sagen. Mit Einschränkungen: Zurzeit bin ich trotz Corona viel unterwegs und nie länger als acht Wochen an einem Ort. Mein Mann und ich sind unter anderem in Oslo und in Nordfriesland. Ich bin gebürtige Hamburgerin und im Norden sind nach wie vor meine Wurzeln, die Sehnsucht ist immer präsent und ich versuche alle paar Monate dort zu sein. Dann bin ich viel in Köln, besuche meine Familie und wir sind natürlich auf Mallorca.
EA: Wie oft flüchten Sie aus dem kälteren Oslo nach Mallorca?
AS: Der Grund warum mein Mann hier in Palma eine Wohnung gekauft hat, war tatsächlich das Wetter. Norweger suchen auch immer gerne die Sonne und wärmere Temperaturen. Dementsprechend sind wir ab September bis November hier, diesmal über Weihnachten und den Jahreswechsel bei der Familie, und im Frühjahr wieder hier. In den Sommermonaten ist uns Mallorca mit um die 40 Grad zu heiß.
EA: Sie waren lange Zeit auf der Insel Sylt verwurzelt. Was gefällt Ihnen besonders an der Insel Mallorca?
AS: Mallorca war für mich von klein auf ein Anziehungspunkt. Ich war mit meinen Eltern hier und später mit Freunden. Ich wollte immer Zeit hier auf Mallorca verbringen. Als ich meinen Mann kennenlernte, wusste ich nicht, dass er so viel Zeit hier auf der Insel ist. Das war ein Glücksfall und mein Traum hatte sich erfüllt. Wenn wir nicht arbeiten, oder er im Homeoffice ist, können wir uns aussuchen, wann wir hier sind. Da ist Eigentum schön und das ist ein Luxus, gerade in Corona-Zeiten.
EA: Mallorca also auch so etwas wie ein Fluchtpunkt…?
AS: Wir waren hier während des ersten Lockdowns, das war noch am Anfang unserer Ehe und eine besondere Herausforderung (lacht). Da stellt sich auch heraus, wie klappt das? Wir haben uns dann so aufeinander eingestellt, und hatten trotz der Einschränkungen so viele gute Tage. Ich habe hier wie verrückt gekocht, wir hatten das Glück auf der Sonnenterrasse an die frische Luft zu kommen, sind durchs Haus gejoggt, alle Menschen sind hier viel entspannter als in Deutschland. Damit ist Palma definitiv zu einem zweiten Zuhause geworden. Wenn möglich, fahre ich hier vor allem Fahrrad, oder gehe als Hobby reiten.
EA: Wie beeinflusst Corona Ihr Leben zurzeit?
AS: Naja, das beeinflusst uns schon erheblich. Mein Mann sitzt im Homeoffice und mein Berufsleben ist komplett still gestellt, und man kann nur auf Lockerung und eine neue Normalität in diesem neuen Jahr hoffen. Ich gehöre zurzeit nicht zu den Glücklichen, die für das deutsche Fernsehen arbeiten können. Es gibt sehr wenige Produktionen, die stattfinden unter scharfen Auflagen. Und meine Agentin und ich sind dran, dass wir im nächsten Jahr wieder durchstarten können. Das ist mein ganz großer Wunsch. Da gehöre ich hin, das deutsche Fernsehen war und ist mein Leben und das soll auch so bleiben.
EA: Ein Rückblick: Ihre Schauspiel-Karriere hat sehr jung begonnen mit aus heutiger Sicht zwei völlig harmlosen erotischen Filmen des Filmemachers David Hamilton. War Ihre Entscheidung aus heutiger Sicht richtig?
AS: Ja, auf jeden Fall. Denn ohne diesen Anfang hätte sich das alles nicht daraus ergeben. Das war der Schlüssel zu allem, alleine die internationale Aufmerksamkeit durch diese deutsch-französische Koproduktion, und besonders viel Presse. So hatte ich gleich Anschlussangebote. Über Schauspielschule und Theater wäre das ein ganz anderer Weg gewesen.

EA: Erotik im eigentlichen Sinne ist ja heute kaum noch gefragt. Wie sehen Sie die Entwicklung hin zu immer mehr Freizügigkeit?

AS: Ich glaube, die Einstellung der Menschen von damals und heute kann man gar nicht mehr vergleichen. Denn das was wir heute belächeln, wenn man sich an solche Produktionen erinnert, war das im Grunde genommen alles harmlos, etwas verklärter, vielleicht naiver, trotz dessen war es für die damalige Zeit skandalös. Mit so etwas könnte man heute gar kein Geld mehr verdienen, denn die Leute sind ja schon so was von abgestumpft. Dabei ist die Fantasie verloren gegangen und die Hemmschwellen sind ganz andere, wenn da überhaupt noch welche sind. Da verliert es eben auch an Schönheit.

EA: Sie haben eine beachtliche Filmographie vorzuweisen – Filme und Serien mit großen Rollen neben namhaften Kollegen. Gibt es ein Lieblingsprojekt und mit welchem Kollegen oder welcher Kollegin haben Sie besonders gerne zusammengearbeitet?
AS: Da gibt es viele tolle Kollegen. Was sehr viel Spaß gemacht hat, war „August der Starke“ mit Gert Fröbe. Ich spielte seine Tochter und es war grandios zu sehen, mit welch unglaublicher Leichtigkeit dieser Mann an die Arbeit gegangen ist. Da wurde wirklich gespielt, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine ähnliche Erfahrung habe ich gemacht mit Mario Adorf, wobei er bestimmender war am Set, da sollte alles schon so sein, wie er sich das vorstellte. Dann habe ich gedreht mit Maximilian Schell, das war auch speziell, denn da fand vieles spontan statt. Da musste man sich darauf einstellen, dass immer irgendetwas kommt, was gar nicht im Drehbuch stand.

EA: Gibt es ein spezielles Erlebnis, dass Ihnen einfällt?
AS: Ich war ganz furchtbar stolz, als mir Gert Fröbe sagte, sobald Du Zeit und Lust hast, kannst Du gerne zu uns nach Hause kommen und wenn Du noch ein paar Feinheiten lernen möchtest, dann gebe ich Dir privaten Schauspielunterricht. Das fand ich großartig und meine Eltern waren darüber auch begeistert. Leider habe ich das nicht in Anspruch nehmen können, weil ich in dieser Zeit sehr viel gearbeitet habe, es kam eine Serie nach der anderen und ich war sehr viel unterwegs, auch international.
ES: Trotz Ihrer langen Liste an Filmen und Serien gab es Zeiten, in denen Sie nicht so gefragt waren. Woran liegt so etwas und was haben Sie dann gemacht?
AS: Ich hatte mich bewusst darauf eingestellt für meinen Sohn da zu sein, als er klein war. Und ich hatte zeitweise auch ein wenig den Anschluss verloren. Dazu muss man wissen, viele Kolleginnen und Kollegen haben in einem gewissen Alter weniger Aufträge bekommen. Das ist international so. Hinzu kam, wir hatten den Mauerfall und damit war das Angebot an guten Schauspielern umso größer. Und auch beim Management werden Fehler gemacht. Umso mehr muss man dann Gas geben.
EA: Ihre Bekanntheit haben Sie dann 2015 genutzt, um an „Promi Shopping Queen“ und sogar an „Promi Big Brother“ teilzunehmen. Was hat Sie gereizt, spielt das Honorar eine wesentliche Rolle?

AS: Ja klar, das Honorar war bei “Promi Big Brother” in erster Linie Ausschlag gebend. So etwas macht man nicht, wenn man nichts verdient. Und mein damaliges Management hat mich dazu überredet. Es gab im Freundeskreis und der Öffentlichkeit viele Leute, die sagten, wir verstehen gar nicht, dass Du das machst. Letztlich habe ich das Ganze ähnlich betrachtet wie Mathieu Carrière, der gesagt hat, wir gehören vor die Kamera, und das gehört dazu, damit wir unsere Brötchen verdienen. Er hat mir damit eine gewisse Scham genommen. Meine Erfahrung ist, ob Sie es gemacht haben, oder auch nicht, kurze Zeit später redet letztlich kein Mensch mehr drüber.
EA: Ihre größte Befürchtung war, dass Sie bei „Promi Big Brother“ dumme Menschen treffen. Ist das eingetroffen?
AS: Ja, was heißt eigentlich dumm, es geht um ein gewissen Niveau. Wie verhalten sich Menschen in Extremsituationen und was kommt da auf einmal ans Tageslicht? Das ist spannend und man kann es im Vorfeld nicht abwägen. Selbst Menschen, die gut erzogen wurden und aus gutem Hause kommen, verlieren da schon mal die Nerven und drehen durch. Ich bin sozusagen „unbefleckt“ aus der ganzen Nummer rausgekommen, und die Kontakte, die wir dort hatten, waren alle mehr oder weniger auf Augenhöhe.
EA: Nino de Angelo hat Sie zumindest genervt, wurde berichtet…
AS: Nino war unser kleiner Filou. Der wollte das Ding unbedingt gewinnen, egal wie. Und dann gehen die Menschen manchmal auch – in Anführungszeichen – „über Leichen“. Wenn man dann rausgeht und alles ist vorbei, liegen sich alle in den Armen und alles ist gut.

EA: Würden Sie heute nochmal teilnehmen?
AS: Nein, nicht unbedingt. Ich war danach auch ein bisschen groggy. Es geht einem doch ziemlich an die Substanz, so gläsern dazustehen, zeitweise auf dem Boden zu schlafen und nichts zu essen. Eine gewisse Form der Öffentlichkeit ist man durch diesen Beruf ja gewohnt, aber überall die Kameras…? Ich fühlte mich danach sehr zerbrechlich und bin da nicht gestärkt rausgekommen, sondern eher ein wenig angeschlagen.
EA: Zusammen mit Ihrem ersten Ehemann Roland Kaiser haben Sie einen inzwischen erwachsenen Sohn. Schauspielerei ist ja auch mit Reisen und starker Konzentration auf eine Rolle verbunden. Wie organisiert man angesichts dessen Erziehung?
AS: Dazu muss ich sagen, ich hatte als ich das Kind bekam und verheiratet war, auch Unterstützung von meinen Eltern, und wir hatten tatsächlich auch ein Kindermädchen, das vor Ort war und das auch mit uns mitgereist ist. Da war ich natürlich sehr dankbar.
EA: Trotzdem blieb und bleibt noch Zeit für ehrenamtliche Engagements als Botschafterin der Royal Fishing Kinderhilfe?
AS: Wir waren jetzt alle gemeinsam auf Rügen, um ein paar Tage gemeinsam zu verbringen, im Sinne der Kinderhilfe und um genügend Aufmerksamkeit zu erreichen und Spenden zu bekommen, um unser Projekt zu unterstützen. Ein sehr schönes Projekt, das man sich ansehen sollte (Anm. d. Red.: www.royal-fishing.de).
EA: Sie haben mit 55 Jahren Ihr Liebesglück gefunden. Was muss passieren, um noch einmal „Ja“ zu sagen?
AS: Es war eigentlich nur ein Kuss. Es ist tatsächlich so, man braucht gar nicht so viel für die Liebe. Manchmal ist es eine Kleinigkeit, die etwas auslöst und damit wird man komplett abgeholt. Und mein Mann hat mich praktisch mit diesem einen Kuss komplett abgeholt.
EA: Sie haben gesagt, dieser Schritt geht nur „ganz oder gar nicht“. Was bedeutet das?
AS: Ich habe mein Leben dafür aufgegeben. Alles was mit zuhause und Freundeskreis zu tun hatte und auch mit einer anderen Partnerschaft, habe ich aufgegeben. Das waren die berühmten sieben Brücken, über die ich gehen musste, und es dauerte ein halbes Jahr, bis ich zu meinem Mann sagen konnte, jetzt komme ich.
EA: Wie sehen Sie Ihre berufliche Zukunft. Wir sprachen kurz darüber, aber gibt es schon angedachte Projekte?

AS: Natürlich ist man an verschiedenen Dingen dran. Ich hoffe, dass im nächsten Jahr wieder viele Produktionen starten. Was ich nach wie vor interessant finde, sind durchgehende Serien, wie „Rote Rosen“ oder „Sturm der Liebe“. Geplant ist für nächstes Jahr ein Theaterstück in Bonn, und zwar „Monsieur Pierre geht online“ zusammen mit Christian Wolff. Das ist leider in diesem Jahr abgesagt worden wegen Corona.
Das Gespräch führte Frank Heinrich