Revanche für die Bundesliga

Im TV der 90er Jahre war Margarethe Schreinemakers nicht wegzudenken. Die studierte Journalistin, erfahrene Reporterin und Talk-Queen aus Krefeld erreichte von 1992-1996 mit ihrer Personality-Show „Schreinemakers live“ bei SAT.1 wöchentlich ein Millionen-Publikum, wurde mit dem Bambi und der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Margarethe Schreinemakers ist Mutter von zwei erwachsenen Söhnen und lebt mit ihrem dritten Ehemann im ostbelgischen Grenzort Eupen. Einen großen Teil ihrer Zeit verbringt sie im Südosten von Mallorca, und engagiert sich auf der Insel unter anderem für die Rettung herrenloser Hunde, und hat mit 60 Jahren begonnen, bei ihrer Freundin Heike Rigbers Reiten zu lernen (siehe auch Interview Ausgabe Oktober). Ein guter Grund sich dort zu treffen.

EL AVISO: Sie waren der Talk-Star der deutschen Fernsehlandschaft. Was passiert, wenn das plötzlich vorbei ist? Gab es so etwas wie Entzugserscheinungen? Mussten Sie sich neu erfinden?

Margarethe Schreinemakers: Nein, da haben die meisten Frauen nicht das Problem. Wenn Frauen mal fallen, stehen die wieder auf. Wir haben Kinder und den Haushalt. Ich habe mich immer um alles selbst gekümmert. Das war nicht wie bei Gottschalks, wo die fabelhafte Thea alles erledigte. Ich bin zu allen Schulbesprechungen und -aufführungen gegangen, musste für meine Söhne auch mal zum Direktor: ab und an für den älteren, der hat gerne kreative Streiche gespielt. Ich weiß nicht wirklich warum, aber bei Männern ist das anders, wenn die vom Thron gestoßen werden. Wahrscheinlich, weil sie ihre Kinder, ihre Frau, ihr Zuhause eigentlich nicht wirklich kennen. Die sind mal am Wochenende da und dann wieder weg.

EA: SAT.1 war ja kein Acht-Stunden-Job. Wie hatten Sie das organisiert?

MS: Ich bin danach immer nach Hause gefahren. Da wartete dann meine Mutter oder wahlweise Tante Grete, und dann musste ich liefern. Einkaufen fahren, Heizöl bestellen, was eben gerade war. Währenddessen begann meine Mutter ihre Kritik immer mit den Worten: Ich will ja nichts sagen, aber… und dann ging es immer um Erziehung und Haushalt. Ich habe dann gedacht, eigentlich bist du doch ein Top Act im deutschen Fernsehen, aber das war meiner Mutter und den Kindern völlig egal, und mir letztlich auch. Der Kommentar meiner Mutter dazu: Die Sendung war ja ganz nett, aber ganz ehrlich, wenn Du nicht dabei gewesen wärst, hätte ich sie nicht geschaut. Sie war schon stolz, aber es hat sie nicht weiter beeindruckt.

EA: …so eine Mutter ist Gold wert. Sorgt das auch für die eigene Erdung?

MS: Wir hatten mal ein Essen mit Hans Joachim Friedrichs, der ja eine Ikone der ARD Tagesthemen war. Und ich werde nie das Bild von meiner Mutter vergessen: Sie legte ihre Hand auf das Knie von Hans Joachim Friedrichs und sagte: Herr Friedrichs, wie alt sind Sie eigentlich? Das war ihm schon etwas unangenehm, und er sagte: Baujahr 24. Meine Mutter antwortete: Dann sind sie ja genauso alt wie ich, was ihm auch nicht so angenehm schien. Dann klatschte meine Mutter leicht auf sein Bein und sagte: Ja, es ist nichts, wenn man alt wird. Das war meine Mutter. Tagesthemen-Anchorman, all das, hat sie nicht weiter beeindruckt, die konnte jemanden einfach nur nett oder doof finden. Das ist eine Währung, die schützt dich, so bin ich eben auch.

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EA: Auslöser für Ihr damaliges TV-Aus war Ihre geplante Stellungnahme zu einer Steueraffäre um Ihre Produktionsfirma, live bei SAT.1. Man warf Ihnen vor, die Sendung für persönliche Angelegenheiten zu missbrauchen und brach die Sendung und letztlich Ihr TV-Engagement ab. Waren Sie damals gut beraten, würden Sie das heute wieder so entscheiden?

MS: Ich würde das immer wieder so machen, und sage Ihnen auch, warum. Die Zeitschrift Stern warf mir sogar Atomwaffenhandel vor, nur, damit die irrsinnig infame Dimension noch mal kurz klar wird. Außer Kinderschändung oder dass ich vielleicht lesbisch wäre, war bei den kriminellen Anschuldigungen nahezu alles dabei. Zeitgleich tobte ein erbarmungsloser Krieg in Tschetschenien, es gab immer noch das brisante Jugoslawien-Thema, es gab Dutroux, den Kinderschänder. Und was war das scheinbar einzige Thema der Presse? Margarethe Schreinemakers. Ich war die Hexe, die kodderige Schnauze. Damals war das mit unangepassten, erfolgreichen Frauen im TV längst nicht akzeptiert, man konnte einer Frau den Erfolg nicht wirklich gönnen, schon gar nicht, wenn sie durch ihre Art polarisierte. Es kam sicherlich auch Neid dazu, ich hatte etwa vor allen anderen das erste Interview mit Nelson Mandela nach seiner Wahl zum Präsidenten.

EA: Sie polarisieren, da lag ja auch ein Teil Ihres Erfolges…

MS: Ja, wegen meiner direkten Art mochten mich sehr viele Frauen, und viele Männer nicht, weil so was wie mich hatten sie ja zuhause. Das war die Frau, die zu ihrem Mann sagt: Geh mal Einkaufen, geh mal in den Keller. Ich war nicht die Frau zum Träumen, etwa eine schöne Ansagerin. Ich war die Revanche für die Bundesliga, und das war mein Erfolg. Hinzu kam: Es gab noch nicht so viele Fernseher in einem Haushalt, kein Internet, kein Smartphone, und ich machte ein Familienprogramm. Wenn der Enkel keinen Job hatte, dann bedrückte das die Oma – das waren Themen von mir.

EA: Es gab einige Anläufe zu neuen Ufern im TV war relativ schnell beendet. Sie konnten an alte Zeiten nicht anknüpfen. Woran lag das?

MS: Das Format muss stimmen. Und es stimmte eben nicht mehr. Irgendwann ist es dann vorbei. Das sehe ich ganz ohne Groll und Zorn.

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EA: Zu dem beruflichen Einschnitt kam im Frühjahr 2009 eine für Sie bedeutende Erfahrung hinzu: Sie hatten beim Joggen im Wald einen Herzstillstand und glücklicherweise war Ihr heutiger Mann dabei und hat Sie wiederbelebt. Wie haben Sie dabei empfunden, was gesehen?

MS: Der Strom war einfach weg, das Licht ging aus. Ich hätte nicht mal gewusst, dass ich sterbe, mir ging es zu gut dafür. Wir waren 12 Kilometer gejoggt. Ich sagte dann nur, halte mich mal fest, mir wird schwindelig und er hat mich gerade noch aufgefangen. Mein total überraschter Mann dachte noch drei Sekunden an eine mögliche Ohnmacht, merkte dann aber: Plötzlicher Herztod, mitten im Wald. Mein Glück war, ich bin Schwimmerin, acht Minuten ohne Sauerstoff habe ich gut hingekriegt. Mein großartiger Mann reanimierte mich, rief die Rettung, die enorm schnell kam. Im kommenden März wäre ich bereits zwölf Jahre unter der Erde! Wahnsinn!!! Mein Mann ist alles für mich – und mein Lebensretter. Jeder Tag ist seither ein Geschenk. Ich habe beispielweise keine Handtaschen als Hobby, sondern fünf tolle Hunde, und die freuen sich jeden Tag, mich zu sehen. Das macht mich glücklich.

EA: „Aufwachen ist keine Selbstverständlichkeit“, haben Sie gesagt. Sie sind Katholikin. Hat Sie diese Erfahrung in Ihrem Glauben beeinflusst?

MS: Ich bin keine glühende Katholikin. Ich bin nur nicht ausgetreten. Ich glaube schon an Gott, aber auf meine Art und nicht vom Vatikan bestimmt. Ohne Glauben zu sein, heißt ohne Hoffnung zu sein. Ich glaube auch an das Gute im Menschen, weil ich glaube, jeder Mensch hat etwas wahrhaft Liebenswertes.

EA: Jeder glaubt heute an irgendetwas, wie wir es deutlich bei Corona beobachten. Welchen Einfluss hat aus Ihrer Sicht eine gute Erziehung?

MS: Ich selbst war als Kind ziemlich leichtsinnig, ich war auf dem höchsten Baum, habe mir manche Knochen gebrochen, habe auch Fernsehverbote ignoriert. Wahrscheinlich haben meine Jungs so einiges von dem Quatsch nicht gemacht, weil sie es hätten auch gar nicht verbergen müssen. Meine Kinder haben Etliches von mir nicht übernommen, aber ich glaube auch nicht an die Macht der Gene. Jeder ist einzigartig und nicht eine Blaupause der Eltern. Meine inzwischen erwachsenen Söhne haben sich toll entwickelt. Meine größte Sorge war, sie werden Snobs, und dagegen haben wir in der Erziehung wirklich alles versucht und offensichtlich auch mit Erfolg getan.

Zu Corona und den Verschwörungstheoretikern: Ich verstehe nicht, warum sich die Leute über so ein bisschen Maske aufregen. Der Chirurg hat ständig eine Maske, und das macht dem auch nur begrenzt Spaß, damit zwölf Stunden zu arbeiten. Aber die Maske ist ein Muss. Presse und TV schenken solchen – zum Teil – kruden Bewegungen zu viel Aufmerksamkeit. Das ist meine Ansicht. Den damals rechten Schönhuber habe ich niemals in meine Sendung eingeladen. Warum sollte ich ihn großmachen? Manchmal ist es deutlich besser, bestimmte Bewegungen nicht permanent aufzublasen.

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EA: Nach Ihrem Herzstillstand ist einiges entstanden. Ein Bestseller mit dem Titel „Ich will das Leben küssen“, Sie haben mit einer Stiftung 300 Hunden auf Mallorca das Weiterleben geschenkt. Was hat sich verändert? Sie haben auch mal von Panikattacken gesprochen…

MS: Ich mache schon so weiter, wie vorher. Das was anders ist, ist die tiefe Dankbarkeit für jeden Tag. Ich habe Spaß am Leben. Und Ruhe finde ich wohl erst, wenn ich tot bin. Als der liebe Gott Temperament mit der Gießkanne verteilt hat, da hat er übersehen, dass er mich schon 30 Mal begossen hat. Panikattacken sind was Schlimmes. Bei mir entstanden sie durch den kurzzeitigen Tod als Trauma. Da bleibt im Gehirn diese posttraumatische Störung, die getriggert werden kann, wie bei Soldaten. So ein Trigger haut dich um. Deswegen muss man in einer guten Verhaltenstherapie herausfinden, was ein Auslöser sein kann. Dem muss man sich stellen. Bis da mal einer hinter kam, dass ich an einer massiven Angststörung litt, hatte ich bereits sieben oder acht dramatische Notarzt-Einsätze. Einmal hatte ich eine Panikattacke im Supermarkt gehabt und ging zu Boden. Warum war das so? Die Räder vom Einkaufswagen vermittelten das Geräusch von der Liege, auf der man mit mir zum Rettungswagen gerannt sind. Da muss man erstmal hinter kommen.

EA: Ein Ausflug zu Weihnachtessen und -geschenken: Wenn ich das richtig gelesen habe, kaufen Sie sehr bewusst ein: Gesundes Essen und Produkte, die nicht aus Kinderarbeit kommen…

MS: Ja, das ist mein Weg. Meine Kritik ist, dass man das nicht immer als Konsument eindeutig erkennen kann. Ich fände es gut, die Ware präziser zu kennzeichnen, wenn ohnehin schon alles gelabelt wird. Dann kann ich immer noch entscheiden, ob ich es kaufe. Aber ich denke die Reise geht ganz woanders hin. Wenn ich diesen Irrsinn mit den Nerzen in Jütland lese: Wer braucht denn noch diese Original-Pelze? Es muss ein breites Umdenken stattfinden, auch im Tourismus, Flugverkehr, in unserer Mobilität. Wenn uns Corona eine Chance gibt, dann ist es die, nochmal gründlich zu überdenken, wohin die Reise gehen muss.