
Auf der Funghi Farm in Consell gibt es frische Pilze und geballtes Wissen über diese faszinierenden Lebewesen
„Das größte und älteste Lebewesen der Erde ist ein Pilz.“ Michael Korn schafft es mit beinahe jedem Satz, seine Besucher in Erstaunen zu versetzen. Der 36-Jährige ist ein wandelndes Pilzlexikon. Sein Wissen streut er en passant in die Unterhaltung ein, wenn er Gäste auf seiner Funghi Farm bei Consell herum führt. Mit jedem Wort ist ihm die Faszination anzumerken, die sein Lieblingsobjekt bei ihm auslöst. „Pilze sind ja keine Pflanzen, sondern eine ganz eigene Lebensform. Das, was wir als Pilz kennen, sehen und essen ist nur der Fruchtkörper.“ Der eigentliche Pilz hat sein Reich unterirdisch und breitet sich in beträchtlichem Ausmaß aus. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das eingangs genannte gigantische Lebewesen ein riesiger Hallimasch ist, 1.260 Fußballfelder groß und 2.400 Jahre alt, der im National Forest im amerikanischen Oregon wächst. Kaum ist man dabei, diese erstaunliche Information zu verdauen, schiebt Michael noch ein Fun Fact nach: „Hallimasch heißt tatsächlich ‚Hall im Arsch‘,weil er Blähungen hervorrufen kann.“

Lecker auf dem Teller und im Burger
Ein Hallimasch ist nicht im Angebot auf der Funghi Farm, aber dafür die farbige Vielfalt der Austernpilze. Die Seitlinge gehören zu den schmackhaftesten und gesündesten Pilzen aus Zuchtproduktion, die es zu haben gibt. Als leckerer Fleischersatz sind sie nicht nur ein Geheimtipp für Veganer, sondern tatsächlich auch für Meatlover eine bemerkenswerte – und dazu noch gesunde – Abwechslung auf dem Speiseplan. Den Klassiker, geschmort mit Zwiebeln und Petersilie, kennt wohl jeder. Aber weil sie eine faserige Struktur haben, ergeben sich noch ganz andere Verwendungen. „Als Pulled-Pork-Ersatz sind sie genial. Sie nehmen das Aroma der Barbecue Sauce auf und machen sich mit ihrem Umami-Geschmack hervorragend im Burger.“ Michael ist voller Ideen, wie seine Bio-Pilze sich in der Küche verwenden lassen. „Die Pilzfasern mit Soja-Honig-Sauce marinieren und dann trocknen, das ergibt eine vegetarische Variante von Beef Jerky, das auch Fleischessern nicht fade vorkommt.“ Die muschelförmigen Teile des Fruchtbüschels kann man einzeln paniert als kleine Schnitzelchen servieren. Sogar vegane Würste lassen sich mit dem festen Pilzfleisch herstellen. Die Möglichkeiten scheinen unerschöpflich.
„Wer mich besucht, muss Zeit mitbringen“
Kein Wunder, dass Michael Korn nicht nur als Pilzbauer die Zutaten liefert, sondern auch ihre Verwendbarkeit in allen Variationen ausprobiert. Der Mann ist gelernter Koch. Seit 15 Jahren lebt er auf der Insel, hat sich als junger Mann mit vielen mehr oder weniger unterhaltsamen Jobs über Wasser gehalten – vom Ticketero einer Disco bis hin zur Arbeit im Callcenter. Und ist letztendlich sesshaft und beständig geworden mit seiner Leidenschaft. „Pilze habe ich schon geliebt, seit ich mit meinem Opa im Spessart zum Sammeln ging. Dass man sie auch züchten kann, wusste ich lange Zeit nur von Champignons.“ Dann aber kam ihm bei einem Fernsehbericht über zwei Pilzzüchter in den USA eine Eingebung.
Er fing an, sich mit der Welt der Pilze zu beschäftigen und entdeckte ein ganzes Universum. „Ich züchte ja nicht nur Pilze, sondern will mein Wissen auch gern weitergeben. Wer mich besucht, sollte schon Zeit mitbringen“, lacht er.

„Wir gaukeln dem Pilz vor, dass es Herbst wird“
Mit Kochtöpfen und einem Mini-Gewächshaus machte er sich zu Hause in Consell an seine ersten Versuche. „Als dann aber ständig Stroh und Eselsmist in der Küche verstreut lagen, wurde mir klar, dass ich einen Garten brauche.“ Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach. Pilze ernähren sich von organischen Substanzen. Deshalb wachsen sie im Wald an und unter Bäumen, ziehen die Nährstoffe aus dem Boden, verbreiten sich unterirdisch – und wenn der Herbst kommt, bilden sie Fruchtkörper. Jene, die eifrige Pilzsammler dann bei ihren Waldspaziergängen abschneiden. Bei der Zucht werden all diese Vorgänge simuliert. Es beginnt mit einer Spore in einer Petrischale, von denen in Michaels kleinem Labor jede Menge lagern. Hat sich ein Pilz gebildet, wird er zur „Fütterung“ in ein Glas mit Weizenkörnern gesetzt. „Eigentlich eignet sich jedes organische Material“, erklärt Michael. „Man kann Kaffeesatz benutzen, Sägemehl, Holzpellets, alles mögliche.“ Wichtig ist, dass das Substrat steril gehalten wird, damit sich nicht noch ein unerwünschter Pilz mit einnistet – der Schimmel. Also werden Substrat und Behälter ausgekocht. Wenn sich das Mycel, also die weißen fadenförmigen Zellen, durch das Korn gefuttert hat, wird es weiter vermehrt. Diesmal geht es raus aus dem Labor, hinein in das Pilzzimmer auf der Farm. Dort wird das Mycel in mit Stroh befüllte Plastiksäcke gesetzt. „Dazu gibt es leider noch keine Alternative“, sagt der Pilzbauer. „Die Säcke müssen hitzebeständig sein, weil auch sie bei 120 Grad sterilisiert werden. Es gibt überhaupt nur drei Anbieter davon weltweit.“ Nun hängen und liegen die Säcke in dem halbdunklen Raum und geben dem Pilz Nahrung, um weiter zu wachsen. Es dauert zwei bis vier Wochen, bis sich das Mycel durch alles durchgefressen hat. „Mit der Sprinkleranlage gaukeln wir dem Pilz vor, dass es Herbst wird und er nun die Fruchtkörper ausbilden muss.“ Diese wachsen aus den Löchern im Sack heraus und können direkt von dort geerntet werden. Von den Sporen im Labor bis zur Ernte vergehen etwa sechs Wochen.

Frische Pilze auch zu Hause ernten
„Ich produziere so ökologisch wie möglich, deshalb gleiche ich die Temperatur nicht künstlich an, sondern ernte nach Saison.“ Produziert werden Sommer- und Winterpilze. Bei warmen Temperaturen wachsen die aus den Tropen stammenden Rosaroten Austernpilze, auch Liebespilze genannt, und der Goldene Austernseitling. In den kälteren Monaten sind der Graue und der Blaue Austernseitling im Angebot. Die Außenanlage für die Zucht ist gerade im Aufbau. Michael Korn hat erst kürzlich eine ehemalige Schneckenfarm übernommen, die er derzeit umbaut, damit hier seine Pilze in größerem Ausmaß gedeihen können. „Bisher verkaufe ich an Privatpersonen und an einige Restaurants. Ich bin ja noch eine One-Man-Show und habe keine Kapazitäten, meine Pilze auf Märkten anzubieten. Das soll sich aber demnächst ändern.“ Die frische Ernte kann sich jeder nach Absprache mit Michael Korn selbst bei ihm abholen. Aber nicht nur die fertigen Pilze sind zum Mitnehmen geeignet, sondern auch ein kleines Zuchtpaket für Zuhause. In so einem Mini-Plastiksack hat sich das Mycel schon so weit ausgebreitet, dass es nur noch jeden Tag befeuchtet werden muss und dann kann man in der eigenen Küche frische Pilze ernten. „So kann man vor allem Kindern den Naturzyklus beibringen“, sagt Michael, der seine Liebe für ökologischen Anbau gern an die nächste Generation weitergeben will. Dank des schnellen Wachstums bleiben auch ungeduldige Charaktere bei der Sache. Der Fruchtkörper wächst jeden Tag fast zur doppelten Größe heran. „Man sieht schnell Erfolge und kann das Ergebnis in die Pfanne legen.“

Schon Ötzi heilte sich mit einem Porling
Pilze machen jedoch nicht nur satt, sondern halten auch gesund. So genannte Vitalpilze sind aus der Traditionellen Chinesischen Medizin bekannt Zu therapeutischen Zwecken kommt dort beispielsweise der Porling zum Einsatz, auch „Pilz der Unsterblichkeit“ genannt. Selbst Ötzi trug auf seinem Weg durch die Alpen ein Amulett mit einem Birkenporling um den Hals, wohl um dessen antibiotische Wirkung zu nutzen, vermuten Wissenschaftler. Der Raupenpilz, teuerster Vitalpilz der Welt aus Tibet, befällt Raupen, um sich zu entwickeln. Allerdings gelingt es einigen Züchtern schon, ihn ohne dieses Zombieverhalten aufzuziehen. Auch in Michaels Labor findet sich eine Probe des kleinen Schlauchpilzes. Selbst der Austernseitling, so fand die Forschung heraus, hat Wunderkräfte. Er kann in Kontakt mit Sonnenlicht Vitamin D entwickeln, das sonst in nur wenigen Lebensmitteln vorkommt. „Lichtpilze“, werden sie deshalb genannt. Die Nutzung der Pilze macht aber nicht beim Verzehr Halt. Die festen und zugleich leichten Substratblöcke, die nach der Pilzernte übrig bleiben, taugen als Biodämmung für den Bau oder gar zur Herstellung von Surfbrettern. In das ganze wunderbare Universum der Pilze lässt man sich besser von Michael Korn selbst einführen. Dann erzählt er auch noch vom Wood Wide Web, von dem Internet des Waldes, das unterirdisch Nährstoffe und Informationen austauscht. Oder von der alternativen Weihnachtsgeschichte, in der Fliegenpilze eine Rolle spielen, die angeblich dafür gesorgt haben, dass das Kostüm des Weihnachtsmanns und die Dekoration noch heute in Rot-Weiß gehalten werden. Dazu gibt es frische Austernseitlinge zum Mitnehmen. Besser kann ein Ausflug in die Welt der Pilze eigentlich nicht laufen.
Funghi Farm Consell Infos: www.funghi.es,
FB: Funghi Farm Kontakt: Michael Korn,
Tel.: 622 737 939 E-Mail: info@funghi.es
Christiane Sternberg, Fotos: Marcos Gittis und Funghi Farm